Der Russe Umar Kremlew ist als Präsident des Boxweltverbandes IBA für vier Jahre im Amt bestätigt worden und hat damit Diskussionen in der Sportwelt ausgelöst.
Der 40-Jährige wurde beim Verbandskongress in Istanbul per Akklamation wiedergewählt. Der Niederländer Boris van der Vorst als einziger Gegenkandidat war vor einer Überprüfungskommission nicht zugelassen worden. Der niederländische Verbandspräsident hatte daraufhin einen Antrag beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne eingereicht, dass die Wahl auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden soll. Der Antrag wurde zurückgewiesen. Die Wahl erfolgte einen Tag später als geplant.
Eine Wahl per Akklamation ist laut Satzung der IBA erlaubt, wenn es keinen Gegenkandidaten gibt. 145 nationale Verbände waren in Istanbul vertreten, zehn waren online zugeschaltet. Van der Vorst will Berufung gegen seine Nichtzulassung einlegen. Die unabhängige Überprüfungskommission hatte ihm und weiteren Vorstandskandidaten vorgeworfen, unerlaubten Wahlkampf jenseits des festgelegten Zeitraums vor der Abstimmung betrieben sowie Absprachen mit Vorstandskandidaten getroffen zu haben. Dem folgte der Cas.
Russischer Verband war beim Kongress dabei
Kremlew, dem Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt wird, ist seit 18 Monaten Chef der Amateurboxer, die die Bezeichnung Amateure aus ihrem Namen gestrichen haben (früher AIBA). Unter seiner Führung wurde das russische Erdgasunternehmen Gazprom als Hauptsponsor gewonnen. Mit dessen Hilfe sind die Schulden des Verbandes von geschätzten 16 Millionen Euro getilgt worden.
Der russische Verband war beim Kongress vertreten und durfte mitwählen. Dagegen sind russische Boxerinnen bei den derzeit ebenfalls in Istanbul laufenden Frauen-Weltmeisterschaften wegen der Invasion Russlands in die Ukraine ausgeschlossen. Der Weltverband soll ukrainische Boxerinnen und Boxer mit bislang 150.000 Euro unterstützt haben, damit sie an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können.
«Ich kann mit Überzeugung sagen, dass Sie die richtige Wahl getroffen haben», sagte Kremlew zu den Wahlberechtigten und ergänzte: «Es schien ziemlich sicher, dass Tokio 2020 das letzte Mal sein würde, dass Boxen auf der olympischen Agenda steht. Die IBA konnte die nationalen Verbände nicht finanziell unterstützen, es gab keine Preisgelder für die Boxer. Viele hielten die Situation für hoffnungslos. Ich nicht.»
IBA will in die olympische Familie zurück
Viele nationale Verbände sehen den Weltverband unter Kremlews Führung auf dem richtigen Weg. Der von Russland geführte Angriffskrieg in der Ukraine hatte bei der Abstimmung nicht die vorrangige Rolle gespielt. Im Vordergrund stand die Existenz des Boxsports. Während andere Sportverbände und Vereine sich von russischen Sponsoren getrennt haben, sieht die IBA derzeit keine Alternative zu Gazprom. «Ich möchte nicht, dass wir in unserer Sportorganisation politische Diskussionen führen. Ich möchte, dass wir verstehen, dass die IBA eine Sportorganisation ist, die den Boxsport entwickelt», sagte Kremlew.
Die IBA will in die olympische Familie zurückkehren. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte den Weltverband 2019 suspendiert und von der Organisation des olympischen Boxturniers in Tokio ausgeschlossen. Die Boxer durften in Tokio teilnehmen, die Funktionäre nicht. Das IOC erwägt, Boxen aus dem olympischen Programm bei den Spielen 2028 zu nehmen.
«Das IOC beobachtet die Entwicklung in der IBA sehr aufmerksam», hieß es im Statement eines IOC-Sprechers am Samstagabend. Die Position sei in der IOC-Erklärung vom Dezember 2021 klar zum Ausdruck gebracht worden. Sorgen bereite dem IOC unter anderem «die finanzielle Abhängigkeit vom Staatsunternehmen Gazprom».
Die IBA will das mit Reformen unter Kremlew verhindern und hat dafür unabhängige Experten zur Erarbeitung transparenter Strukturen im Verband gewonnen. «Wir haben große Fortschritte gemacht», sagte Kremlew. Das IOC äußerte vor wenigen Tagen «erhebliche Bedenken» in Führungsfragen bei der IBA.
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